Spätgebärend und alleinerziehend – always in between?
Spät Mutter zu werden bedeutet oft, in keiner Schublade so richtig Platz zu finden. Alleinerziehende Frauen spüren dieses Dazwischen noch deutlicher.
Da sind die jüngeren, „normalen“ Mütter. Sie berichten begeistert von ihrer Familienidylle, reden viel vom Ehemann, dem nächsten Familienurlaub nach Florida oder Norwegen mit dem Camper, erzählen von Omas Erdbeertorte und wie Opa mit dem Enkel durch die Pfützen hüpft. Bist Du eine „alte“ Mutter, sind Deine Eltern schon pflegebedürftig oder ruhen bereits auf dem Friedhof. Da tut es weh, wenn alle um Dich herum davon schwärmen, wieviel Spaß die Kids doch bei der Oma haben.
Die Heile-Welt-Familie
Wer mit Anfang 30 Mama wird, hat meist ein Studium absolviert und idelaerweise an der Uni gleich den passenden Partner abgestaubt. So planen Mediziner-, Juristen- und BWLer-Pärchen ihre gemeinsame Zukunft. Erst ein bisschen die Karriere anschrauben in einer coolen, deutschen Großstadt und Kauf einer Eigentumswohnung im angesagtesten Stadtteil, dann Social-Media-kompatibel heiraten. Die jüngere Generation hat ihr Leben perfekt durchgeplant, die große Liebe läuft ihnen im besten gebärfähigen Alter über den Weg, dass erste Kind folgt nach der Traumhochzeit, nachdem auch die Seniorposition in der Consultingfirma klargemacht wurde. Dann muss Geld her für einen Bugaboo- Kinderwagen und ein Bike von Woom, nicht zu vergessen das schicke Lasten-E-Bike mit Handyhalterung, mit dem die busy Influencer-Mami durch Schwabing cruist.
Wenn dann eine quirlige Alleinerziehende in der Krabbelgruppe aufkreuzt gerät das Weltbild der Heile-Welt-Familien ins Wanken. Nein, das Kind der Alleinerziehenden kann nicht glücklich sein. Es hat bestimmt ADHS, Autismus oder sonstige Verhaltensauffälligkeiten. Und hat es denn überhaupt Kontakt zum Vater? Ja, wenn der sich nicht genügend kümmert, sind ja psychische Probleme vorprogrammiert. Am Besten schonmal einen Platz beim Kinderpsychologen vorreservieren.
So prallen Welten und Vorurteile aufeinander. Verheiratete Paare wollen in der Regel keinen Kontakt zu Alleinerziehenden. Diese jammern ja nur rum und baggern noch den Partner an. Und irgendwas kann mit der Singlemutter ja nicht stimmen, sonst wär die Beziehung ja nicht gescheitert.

Mutterglück mit über 40
Spätgebärend mit viel Lebenserfahrung
Und wenn Du als Singlemama dann auch noch älter bist wie die Durschnittsmama, wissen die Heile-Welt-Eltern erst recht nicht, was sie mit Dir reden sollen. Gespräche über Haushalt, Schule und Kochrezepte langweilen Dich. Als Mama ü40 blickst Du auf mehr Lebenserfahrung zurück. Studium, Karriere, diverse Umzüge in andere Städte für den Job, Reisen, Auslandsaufenthalte und vielleicht gescheiterte Beziehungen haben Dich geprägt. Dagegen ist die 30-jährige Mama neben Dir auf dem Spielplatz erst einmal umgezogen – von ihren Eltern in der Kleinstadt zum jetzigen Ehemann in die Großstadt und erzählt begeistert von dem neuen Bobbycar ihrer Tochter.
Die späte Mama hat viele ihrer eigenen Träume schon umgesetzt, hat vorher ein selbstbestimmtes, eigenständiges, emanzipiertes Leben gelebt. Sie definiert sich nicht über das Kind und muss mit ihrem Nachwuchs nicht angeben.
Kontakt zu gleichaltrigen Frauen
Wie sieht der Kontakt zu gleichaltrigen Frauen und Freundinnen aus? Sie haben entweder schon ältere Kinder oder sind kinderlose Singles. Bist Du früher mit Deinen Freundinnen um die Häuser gezogen und hast auf jeder Party getanzt meldet sich nun niemand mehr, da Du mit Baby zu Hause sitzt. Du bist uninteressant geworden als Begleitung für coole Partys. Manche kinderlose Frauen ü40 sind neidisch, dass Du noch Mama geworden bist.
Und dann ein paar Jahre später: Dein Kind ist zum Pubertier mutiert, sitzt stumm in seinem Zimmer, Du bist mit Mitte 50 in den Wechseljahren, hast noch rund 10 Jahre bis zur Rente und auf einmal wieder Zeit für Dich und suchst neue Freizeitaktivitäten. Du triffst auf gleichaltrige Frauen mit
erwachsenen Kindern oder kinderlos. Sie geniessen ihre Freiheit, haben Geld, berichten von schönen Fernreisen, den ersten Enkelkindern und können sich nach erreichten Karrierezielen und ’ner Menge Aktien entspannt zurücklehnen.
Und Du als Alleinerziehende und Spätgebärende: immer noch kein Geld, keine Karriere, keine Fernreisen, keine schönen Hotels. Die Rente wird auch nicht hoch ausfallen. Du hast Dich arrangiert mit Deinem Leben, hast dafür ein wundervolles Wesen alleine großgezogen, worauf Du sehr stolz sein kannst.
Spätgebärende Alleinerziehende bringen Lebenserfahrung, Gelassenheit und oft eine große Klarheit mit. Sie wissen, was sie wollen und was nicht. Sie haben gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen, und können diese Kraft an ihr Kind weitergeben. Zwischen allen Stühlen zu sitzen bedeutet auch, einen eigenen Platz zu schaffen – jenseits der Schubladen, jenseits der Erwartungen.
Warum darf nicht jeder so leben, wie er möchte? Müssen wir nach einer Norm leben? Darf man nur mit Mitte 20 heiraten und Kinder bekommen,um dann mit Mitte 40 wieder geschieden zu sein?
Ich wünsche mir mehr Toleranz und Akzeptanz von verschiedenen Lebensstilen, ohne Wertung, aber mit viel Empathie.